Kohlenstoffmanagement – die dritte Säule auf dem Weg zur Klimaneutralität

Für Deutschlands Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden, standen bisher die Steigerung der Energieeffizienz und der Ausbau erneuerbarer Energien im Mittelpunkt. Doch ein entscheidender Aspekt wurde bisher übersehen: der CO2-Entzug aus der Atmosphäre. Die Leopoldina gibt für das Kohlenstoffmanagement nun Empfehlungen in Bezug auf Speicherung, Nutzung und Infrastruktur.

Reichen auf dem Weg zur Klimaneutralität erneuerbare und effizientere Technologien aus? Laut Leopoldina-Wissenschaftlern braucht es zusätzlich eine aktive Reduktion von CO2 aus der Atmosphäre. Bild: iStock, ArtistGNDphotography

Klimaneutralität in Deutschland und Europa: um dieses Ziel zu erreichen, reichen Emissionsreduktionen laut der Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina nicht mehr aus. Zusätzlich muss der Atmosphäre auch das wichtigste Treibhausgas CO2 aktiv und dauerhaft entzogen werden. Die Akademie hat hierfür nun die Ad-hoc-Stellungnahme „Schlüsselelemente eines Kohlenstoffmanagements“ veröffentlicht.

Die Stellungnahme skizziert verschiedene Möglichkeiten der Speicherung und langfristigen Nutzung von CO2. Die Autorinnen und Autoren empfehlen zudem Maßnahmen zur technischen Umsetzung, für ökonomische Anreize und zur internationalen Zusammenarbeit. Sie sprechen sich unter anderem dafür aus, Forschung und Entwicklung zur CO2-Abtrennung in industriellen Prozessen und zur direkten Entnahme aus der Atmosphäre (Direct Air Capture, DAC) zu fördern. DAC sollte vor allem an Standorten, an denen die klimatischen Bedingungen (wie eine niedrige Luftfeuchte) oder die Energiekosten aus regenerativen Quellen günstig sind, etabliert werden.

Wiederaufforstung und Kreislaufwirtschaft

Die Fachleute betonen, dass CO2-Speicherung im Untergrund (Carbon Capture and Storage, CCS) nicht dafür eingesetzt werden sollte, die Nutzung fossiler Energieträger zu verlängern, sondern für nicht vermeidbare CO2-Emissionen beispielsweise aus der Landwirtschaft und Industrie. Zudem empfehlen sie, CCS-Verfahren nicht nur im marinen Bereich, sondern auch auf dem Festland zu nutzen.

Auch das Potenzial einer natürlichen Speicherung von CO2, vor allem durch Wiederaufforstung und die Wiedervernässung von Mooren, sollte weiter erforscht und wissenschaftlich gefördert werden. Neben der Speicherung ist auch der Aufbau einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft für Kohlenstoff notwendig, um CO2 stofflich zu nutzen und dauerhafte oder möglichst langlebige Güter herzustellen (Carbon Capture and Utilization, CCU).

Nutzung vorhandener Infrastruktur

Die Ad-hoc-Stellungnahme schlägt vor, ökonomische Rahmenbedingungen für die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre zu etablieren, die Entwicklung entsprechender Märkte zu fördern und privates Kapital dafür zu aktivieren. Die Transportinfrastruktur für CO2 und CCU-Produkte muss im europäischen Verbund ausgebaut, durch Investitionsanreize gefördert und mit vergleichbaren Planungen für Wasserstoff und andere stoffliche Energieträger zusammengeführt werden. Vorhandene Infrastrukturen, wie das Gasnetz, sollten möglichst umfassend genutzt und daher nicht vorschnell aufgegeben werden.

Für die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre müssen Rahmenbedingungen etabliert werden, damit sich darauf aufbauend Geschäftsmodelle und stabile Märkte entwickeln können. Dafür könnten beispielsweise eigene Zertifikatmärkte entwickelt werden. Wichtig wäre ein Regelwerk, das europaweit die Entnahme und ökonomische Bewertung von CO2 organisiert. Die Fachleute empfehlen zudem internationale Kooperationen in Forschung, Entwicklung und Pilotprojekten. Insbesondere Ländern des Globalen Südens kommt aufgrund ihrer Lage und der günstigen Bedingungen für die Nutzung erneuerbarer Energien eine herausragende Stellung zu.

Stellungnahme gibt Impulse

Die Ad-hoc-Stellungnahme wurde von der Leopoldina-Fokusgruppe „Klima und Energie“ erarbeitet. Diese gibt Impulse für die mittelfristige Gestaltung des deutschen und europäischen Energiesystems und nimmt kurzfristig zu aktuellen Entwicklungen Stellung.

 

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