Mit der Plus-Energie-Fabrik gegen den Klimawandel
Einen Strom-Autarkiegrad von 86 Prozent erreichen selbst energiebewusste Haushalte nicht so leicht, und noch schwerer ist dies für produzierende Unternehmen, deren Herstellungsprozesse oft große Mengen an Energie benötigen. In solche Regionen gelangt allerdings die Frenger Systemen BV Heiz- und Kühltechnik GmbH in Groß-Umstadt, die außer in den beiden dunklen Monaten Dezember und Januar Strom ins Netz einspeisen kann und daher Ende 2023 als Plus-Energie-Fabrik von der Landesenergieagentur (LEA) Hessen ausgezeichnet wurde.
Photovoltaik und Batteriespeicher liefern Stromüberschuss
Der „Energiewende-Champion“ erreicht seine positive Bilanz durch eine Kombination von Maßnahmen: Die Dachfläche der Produktionshalle ist komplett mit Solarmodulen belegt, die rund 600 kWp Leistung erbringen. Der werktägliche Bedarf von etwa 600 bis 650 kWh könnte also theoretisch in wenigen Stunden über Mittag geerntet werden. Um auch frühmorgens eigenen Strom bereitstellen zu können, waren Batteriemodule nötig. „Weil wir keine verlässliche Lastkurve hatten, haben wir uns mit dem Speicher langsam hochgetastet“, erinnert sich Dr.-Ing. Klaus Menge, einer der drei Geschäftsführer des Familienunternehmens.
Wie sich zeigte, genügen dem Hersteller von Deckenstrahlplatten 324 kWh Speicherkapazität: „Das bringt uns normalerweise gut über einen langen Abend und einen frühen Beginn der Produktion“, und liefert an besseren Tagen so viel Überschuss, dass im Jahresmittel etwa 77 Prozent des Öko-Stroms in das E-Netz Südhessen eingespeist werden kann. Wer aus dieser Zahl schließt, dass die PV-Anlage völlig überdimensioniert sei, dem hält der leidenschaftliche Skifahrer, der den Klimawandel bei seinem Hobby praktisch immer vor Augen hat, entgegen: „Wir haben an dieser Stelle die Wirtschaftlichkeit nicht als oberstes Gebot. Maßstab für viele Maßnahmen in unserem Unternehmen war der effiziente Umgang mit Energie.“ Und das heißt auch, möglichst viel erneuerbare Energie einzusetzen.
Wärmeversorgung aus extremer Tiefe
Schon vor über zehn Jahren hat das Unternehmen eine im privaten Umfeld selten genutzte Wärmequelle in großer Tiefe erschlossen: „Auch wenn wir mit der 800 Meter tiefen Bohrung erst mal ausgelacht worden sind und das nach wie vor das tiefste Bohrloch Deutschlands für die dezentrale Energieversorgung eines Gebäudes ist: Es war die richtige Entscheidung“, bekräftigt Dr. Klaus Menge. „Die Wärmenpumpen-Anlage arbeitet störungsfrei und mit einer hohen Jahresarbeitszahl“. Denn selbst zum Ende der Heizperiode kommt noch Wasser mit 13 °C aus der Tiefe, und weil die auch im eigenen Werk verwendete Deckenstrahlheizung mit niedrigen Vorlauftemperaturen von etwa 35 °C auskommt, kann die Wärmepumpe unter Einsatz einer Kilowattstunde Strom im Jahresmittel bis zu 8 Kilowattstunden Wärme erzeugen.
Damit stellt die Tiefengeothermie die Wärmeversorgung der gesamten Fabrik sicher und kann im Teillastbetrieb sogar einen Teil der Prozesswärme für das Lackieren der im Werk hergestellten Heizungsmodule bereitstellen. Als Redundanz liefert eine Holzhackschnitzelanlage mit bis zu 200 kW Leistung bei Spitzenlastzeiten der Lackieranlage die erforderliche Energie. Als Brennstoff erhält sie gehäckselte Restmaterialien wie Einwegpaletten oder Holz aus dem familieneigenen Wald. Warmes Leitungswasser erzeugt eine Solarthermieanlage.
Technische Verbesserungen erhöhen Return-on-Invest
Um den Energiebedarf zu begrenzen, wurden in dem hessischen Unternehmen Maßnahmen ergriffen, die dem Passivhausstandard von Wohngebäuden entsprechen oder ihn noch übertreffen: Boden und Gebäudehülle sind vollflächig gedämmt, die Fenster dreifach verglast und die Fassaden verwenden zehnlagiges transparentes Polycarbonat zur guten Tageslichtausnutzung. „Wenn jemand neu baut, ist es ein Fehler am Gebäude und an der Technik zu sparen“, lautet das Credo von Dr. Klaus Menge, der aber auch von hohen Effizienzgewinnen bei Sanierungen berichten kann. Im Bestand sind allerdings die Gestaltungsmöglichkeiten oft viel eingeschränkter, es bleiben vor allem zwei Freiheitsgrade: die Gebäudehülle dämmen oder die technische Ausstattung modernisieren. „Die Praxis hat gezeigt, dass man ein viel schnelleres Return-on-Invest erreicht, wenn man beispielsweise die Versorgung mit Wärme oder Licht auf den Stand der Technik bringt“, rät der Unternehmenslenker. „Meist ist das sogar noch mit einem Behaglichkeitsgewinn verbunden, man schlägt also zwei Fliegen mit einer Klappe.“
Er erinnert sich an das Sanierungsprojekt ((www.frenger.de/praxisbeispiel-sporthalle-sh-biebertal)) einer Turnhalle mit Waschbetonfassade, bei dem eine Luftheizung durch eine Deckenstrahlheizung ersetzt wurde. Obwohl nur oberhalb der Heizelemente die Dämmung verbessert wurde, sanken durch den Einbau der neuen Technik der Wärmebedarf der Halle um die Hälfte und der Strombedarf um drei Viertel. „Die Verbesserungen, die man darüber hinaus durch eine teure umfassende Dämmung der Fassade hätte erreichen können, wären demgegenüber klein gewesen“, lautet die Überzeugung des Frenger-Geschäftsführers. Die Argumentation gelte nicht nur für den intermittierenden Heizbetrieb in Turnhallen, sondern ähnlich auch für Industriehallen, in denen nur selten mit drei Schichten gearbeitet wird und daher Nachtabsenkungen üblich sind.
Kühlung gewinnt an Bedeutung
Im Fall von Sanierungen sind die Handlungsmöglichkeiten zwar eingeschränkt, doch es gibt weitere Chancen: „Bei einer Systemumstellung könnte man auch die Kühlung mit einplanen, die ja an Bedeutung gewinnt“, rät Dr. Klaus Menge. Um die rund 1500 m2 Fläche des Verwaltungsgebäudes zu kühlen, nutzt die Plusenergiefabrik wiederum das Erdreich, wofür acht zusätzliche „oberflächennahe“ Bohrlöcher mit Tiefen zwischen 88 und 142 Meter dienen. Da die Kühlsysteme teilweise unterhalb des Taupunkts betrieben werden, gewährleisten sie gleichzeitig die Entfeuchtung und tolerieren dabei das Nachströmen von Außenluft – die Fenster dürfen zur Freude der Belegschaft also im Sommer geöffnet werden.